DAS GESCHENK

Wir sind heute vormittag in einem Raum gelandet, der alles möglich macht. Ich empfinde, dass unsere Seelen sich treffen und begrüßen und berühren und eins werden:  So fühlt sich das an.
Ja, die eine Seele, durch die alles strömt. Die eine Seele. Das klingt auch an in der letzten Zeile von Rilkes Gedicht Herbst:

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Das ist der Hinweis auf die Seele, auf die gemeinsame Seele. Und auf das, was hinter der Seele sich ständig bewegt, das Große. Und das an die Tür klopft, das Urvertrauen, von dem du gesprochen hast Jürgen, und sich immer wieder meldet: Hallo. Du brauchst nichts zu wissen. Du brauchst einfach nur da zu sein.

Diese Räume zu erleben ist ein großes Geschenk und so wie heute Vormittag eine Gnade. Es ist nichts, was wir fabriziert haben. Es ist nichts, was wir machen können. Das einzige, was es braucht, ist zu kommen und präsent zu sein – to show up. Also die Bühne zu betreten und da zu sein und sich mit allem zu zeigen, was gerade da ist.

Wir saßen heute morgen am Frühstückstisch und da kam eine Nachricht durch von Greta Thunberg, wo ich mich gewundert habe, woher Greta überhaupt meine Adresse hat – aber auf eine wunderbare Weise hatte sie meine Adresse. Sie hat einen dringenden Appell geschickt – die Welt-Klima-Konferenz beginnt heute in Glasgow – mit einem dringenden Appell an alle Menschen, sich mit diesem großen Anliegen zu verbinden. Und ich habe die Sätze gelesen und plötzlich hat es mich überschwemmt mit Wärme und auch einem tiefen Gefühl der Traurigkeit, aber keine Traurigkeit, die mich runterzieht oder hilflos werden lässt. Da war die Tiefe. Hinter der gefühlten Traurigkeit die Tiefe zu spüren – die Hand, die alles hält.

Die Hand, die alles hält.

Und da verbinde ich mich mir dir Ulla. Du sagst: Kann ich mir das denn erlauben, das alles zu fühlen, was da ist?

Du hast es noch anders gesagt, aber so habe ich es gehört. Kann ich mir das alles erlauben, was da ist? Und dann sage ich: Ja, ich kann mir das erlauben, weil meine Bewusstheit so gewachsen ist, dass ich nicht darin versinken muss.

Oder wie du Hartmut gesagt hast: Wenn die Seele alles durch sich strömen lassen kann, was da ist. Ohne es zu bewerten, ohne mich selbst zu bewerten und mich frei machen von allen was da ist, das mich davon abhalten will, dort hinzugehen, um mit mir und mit euch so zu sein, wie ich wirklich bin. So.

Und das ist für mich heute morgen das größte Geschenk – das zu fühlen, das so fühlen zu dürfen.

 

HERBST

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.


Rilke

IN DIE HÄNDE LEGEN

Wir waren am Sonntagnachmittag in der Kirche des alten Klosters von Paleiokatstitsa, Corfu. um dort Kerzen anzuzünden für uns alle und die Welt. Es geht um uns alle und das ist so groß, dass wir es in die Hände des EINEN gelegt haben.

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